Dokumentationsstätte Regierungsbunker in Ahrweiler
Tief unter den Bergen des Ahrtals versteckt sich das frühere Staatsgeheimnis Nr.1. „Codename Rosengarten“ Dienststelle Marienthal – der ehemalige Atombunker der Bundesrepublik Deutschland. Ein unterirdisches Labyrinth, von dem die Bevölkerung nie etwas erfahren sollte.
Die Schreckensvisionen des Atomkriegs gaben den Anstoß. In den 50er-Jahren verlangte die NATO von jedem Mitglied einen atomsicheren Rückzugsraum für den Notfall. Der damalige Bundeskanzler, Konrad Adenauer, war kein Freund dieser Idee, er überlies die Umsetzung seinen Ministerialbeamten, einer verschworenen Männerrunde aus Kriegsgenerälen und Notstandsbürokraten. Sie sollten in aller Stille einen atomsicheren Bunker planen, für die Funktionärselite des Staates.
Die Planung des Regierungsbunker in Marienthal
Die Suche nach einem geeigneten Standort begann, möglichst abgelegen, jedoch nah zu Bonn. Die Planer stießen auf eine Bauruine im Ahrtal, zwei nie fertiggestellte Eisenbahnstollen aus der Kaiserzeit zwischen Dernau, Marienthal und Ahrweiler. Bereits im 2. Weltkrieg arbeiteten an diesem geheimen Ort KZ-Häftlinge aus Buchenwald an der Wunderwaffe V2. Nach Kriegsende fielen die Stollen in Vergessenheit, 15 Jahre lang. Ein Glücksfall für die Bunkerplaner. So kam das Staatsgeheimnis Nr. 1 ins Ahrtal.
Der Bau des Regierungsbunkers begann 1959
Nach 8 Jahren Planung begannen 1959 die Bauarbeiten. Es wurde eine ganze Stadt unter der Erde gebaut. Nach Dernau, Marienthal und Ahrweiler kamen fast 20.000 Bergleute, Sprengmeister, Mauer und Elektriker. 12 Jahre lang wühlten sich die Bautrupps in die Ahrberge hinein. Davon profitierte auch die umliegende Bevölkerung im Ahrtal. Wenn mal eine Betonprobe nicht den Ansprüchen entsprach, wurden halt die umliegenden Weinbergswege damit betoniert und die Winzer mussten nicht mehr durch die Schlaglöcher fahren. Sämtliche Mitarbeiter waren zum Stillschweigen verpflichtet. Die Arbeiter riskierten ihr Leben, Überflutungen, Felsstürze, Feuer und weitere Unglücke unterbrachen oft die Arbeiten, aber offiziell war dies alles nie geschehen, Geheimhaltung. Auch wurden immer wieder Spione aus Ost-Berlin im Ahrtal gesichtet. Das Staatsgeheimnis Nr. 1 war im Osten bestens dokumentiert. Russische Atomraketen waren mit den Koordinaten des Bunkers programmiert.
So wurde für den Ernstfall massiv gebaut. Die Haupteingangstore wogen 25 Tonnen und sollten vor der Wucht von Atombomben schützen. 8 solcher Tore schotteten den Bunker von der Außenwelt ab, bombensicher, Stand 1945 Hiroshima.
Bei seiner Fertigstellung erstreckte sich das Tunnelsystem auf ca. 17,3 km, eine komplette Kleinstadt unter Tage. Er funktionierte wie ein autarkes Raumschiff mit Tiefbrunnen und Stromnetz, einem komplexen Lüftungssystem und endlosen Kilometern an Kabeln und Versorgungsrohren. Insgesamt gab es alleine 936 Schlafzellen und 897 Büroräume.
Der 3. Weltkrieg begann am 17. Oktober 1966 (als Übung)
Am 17. Oktober 1966 um 8:30 Uhr begann der 3. Weltkrieg. Bundestagsabgeordnete rückten ein zur 1. Übung. 4 Tage und 4 Nächte verbrachten die Abgeordneten im Bunker, eine Art Notparlament unter Tage. Diese Übung war der Beginn einer Übungsreihe, die sich alle zwei Jahre wiederholte. Mehrere Generationen von Politikern mussten den Atomkrieg üben. Alles war spartanisch eingerichtet, jedoch fehlte es an nichts, es war eine perfektionistische kleine Stadt. Einzelzimmer gab es nur für 2 Personen, Bundeskanzler und Bundespräsident, für den Rest gab es Mehrbettzimmer.
Der Bunker war ausschließlich für Funktionsträger und Personal, Familienangehörige hätten im Ernstfall keinen Zutritt gehabt. Dies musste auch die Frau des Bundespräsidenten von 2008, Horst Köhler, auf Nachfrage erfahren, selbst sie hätte nicht hinein gedurf. 3.000 Funktionsträger sollten sich im Ernstfall vor der Außenwelt verschanzen. Es gab fast alles, Besprechungsräume, Fernmeldezentrale, medizinische Versorgung, Frisör, Duschräume sowie fünf Großküchen und Speisesäle für mehrere Hundert Personen mit Vorräten, Wasser und Sonstigem für eine Versorgung von 30 Tagen und keinen Tag länger. Man hat sich keine Gedanken gemacht, was am 31. Tag wäre. Tag 31 war ein Tabu-Thema. Der Regierungsbunker war ein Abschreckungsszenario für 2,4 Mrd. Euro. Er sollte eines zeigen: Auch wenn die Bevölkerung nach einem Atomschlag ausgelöscht wäre, könnte sich die Bundesrepublik weiterhin verteidigen und wäre handlungsbereit.
Der Aufwand war unvorstellbar
Der Bunker wurde rund um die Uhr, 24 Stunden lang von ca. 200 Mitarbeitern ständig bewirtschaftet und einsatzbereit vorgehalten, ausschließlich Männer, für Frauen waren schlichtweg keine Planstellen vorgesehen. Dienstbeginn war morgens um 7:15 Uhr, die Mitarbeiter setzten sich aufs Fahrrad und fuhren zunächst zur Kommandozentrale, die 24 Std. besetzt war. Sollte mal etwas kaputt sein, fuhr man ins Lager und holte entsprechende Ersatzteile, jedes Ersatzteil war zweimal vorhanden. Der ganze Bunker wurde nach Wartungsplänen gepflegt und instandgehalten.
1989 sollte im Rahmen einer Nato-Übung ein besonders zerstörerisches Szenario inkl. Atombomben auf Ostdeutschland geprobt werden. Das ging der Bundesregierung zu weit. Im März 1989 brach der damalige Kanzler, Helmut Kohl, die letzte Übung im Regierungsbunker eigenmächtig ab. Daraufhin kam die Nato zu dem Schluss: »Wenn die Deutschen nicht mehr mitmachen, machen wir auch keine Übungen mehr.« »Dann ist der 3 Weltkrieg eben gestorben.« Wenige Monate später geschah, womit niemand gerechnet hatte, die Mauer fiel und der »Kalte Krieg« war vorüber. Der Bunker blieb jedoch »alarmbereit« und wurde Mitte 1997 sogar noch aufgerüstet. Unter anderem wurden neue Dieselmotoren eingebaut.
Das Ende des Regierungsbunker wurde 1997 beschlossen
Erst im Dezember 1997 wurde durch das Bundeskabinett beschlossen, dass die Anlage in Marienthal nicht mehr gebraucht wird. Das war das Ende des Regierungsbunkers in Marienthal. Was sollte jetzt mit dem Regierungsbunker geschehen, sein Schicksal war ungewiss. Man versuchte zunächst den Bunker an private Interessenten zu veräußern. Es gab auch einige ernste Interessenten, der Verkauf scheiterte jedoch an dem Veto der Bauern aus dem Ahrtal. Denn laut deutschem Bodenrecht war nicht der Bund, sondern die Grundbesitzer, denen die darüber liegenden Grundstücke gehörten, Eigentümer der Anlage. Der Bund ist zwar Nutzer, nicht jedoch Eigentümer, daher kann er ihn auch nicht verkaufen. Er ist sozusagen der größte Schwarzbau, den es in der bundesdeutschen Geschichte gegeben hat. Diesen Schwarzbau wollte die Regierung jetzt nur noch loswerden.
Der Rückbau des Regierungsbunker
Der Rückbau begann. Es wurde alles zurückgebaut und zerstört, alles was in den letzten 30 Jahren gehegt und instand gehalten wurde. Nur einmal standen die Maschinen still, nach dem Anschlag am 11. September 2001 in New York. Der damalige Bundesinnenminister hat verfügt die Arbeiten für einen Tag zu stoppen, da man nicht wusste, ob man den Bunker nicht doch nochmal brauchen würde. Die Abrisswut siegte jedoch, es sollte nichts mehr stehenbleiben, bis auf die großen Rolltore, die den schweren Maschinen standhielten, sowie die Pforte am Eingang Marienthal-West, sie lag knapp außerhalt des Bunkergeländes. Die Abrissfirma sah sich nicht zuständig. 60 Mio. Euro und 4 Jahre Arbeit waren für den Abriss veranschlagt. Es wurde sehr gründlich zurückgebaut, niemand sollte sich je an dieses Bauwerk erinnern. Es wurde sogar erneut Geheimhaltung angeordnet.
Dokumentationsstätte Regierungsbunker,
das heutige Museum
Heute ist der Regierungsbunker nur noch ein Labyrinth aus toten Röhren aber auf ein paar Dutzend Metern ist er noch genau so erhalten, wie er einmal war. Die heutige Dokumentationsstätte Regierungsbunker. So entstand ein Museum, das die Zeit des Atomzeitalters und des Kalten Krieges dokumentiert. Von den einst 17 km Tunnel sind heute 203 Meter als Dokumentationsstätte für die Öffentlichkeit zugänglich. Heute führen einige Funktionsträger von früher als Bunkerführer durch das Museum und berichten von ihren Erlebnissen in dieser Zeit. Sie sehen, der Regierungsbunker ist ein interessantes Ziel bei ihrem Besuch des Ahrtals.
Einen tollen TV Bericht des SR findet man in der Mediathek unter
WimS: Verborgene Unterwelt von Bad Neuenahr-Ahrweiler (bis 01.04.2020 verfügbar)
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